Brennesseln in Magie, Volksglaube und Medizin

Jeder kennt sie, nicht jeder mag sie: die Brennessel, oder besser gesagt: die Große und Kleine Brennessel. Dabei ist vor allem die Große Brennessel eine wichtige Heilpflanze. Weniger bekannt ist heute hingegen, dass Brennesseln seit jeher eine große Bedeutung in der Zauberei und im Volksglauben besaßen. Und auch in Märchen und Sagen haben sie ihren festen Platz: man denke nur an die Brennesselhemden, die die Schwester der zwölf Schwäne schweigend anfertigen muss. Im folgenden möchte ich versuchen, diese oft zu Unrecht beschimpfte Pflanze in ein besseres Licht zu rücken Hier also zunächst Teil I:

Teil I:

Mindestens seit dem Mittelalter (wenn nicht schon früher) glaubte man an die dämonenabwehrende Wirkung der Pflanze. Sie schütze, so Albertus Magnus, gegen alle Anfechtungen des Teufels. Wichtig war sie aber vor allem zur Abwehr von bösem Zauber im Stall. So soll ein Bündel Brennesseln, im Stall aufgehängt, die Ziegen vor dem Behexen schützen, und wenn das Vieh verhext ist, so zerklopfte man in einigen Regionen Brennessel, Taubnessel und Natternesselwurz (unklar, was damit gemeint ist), strich das Vieh im Namen Gottes dreimal vom Maul bis zur Schwazspitze damit ein und warf dann die Wurzel hinter sich weg. (Die Kirche sah solcherlei Volkszauber übrigens absolut nicht gerne.) In der Walpurgisnacht steckte man in Westböhmen Brennesseln in den Düngerhaufen und schlug sie mit einem Stock. Diesen Schlag, so glaubte man, würden die Hexen spüren und dann hätten sie keine Macht mehr über das Vieh. In Russland hingegen hängten die Bauern Brennesseln in der Johannisnacht an Stalltüren und Fenster. Auch in Finnland und Ungarn beschützte die Pflanze das Vieh vor Verzauberung.
In bäuerlichen Gesellschaften spielt auch die Milch eine große Rolle, bildete sie doch die Basis für Butter, Käse und Rahm. Gelangen Butter und Käse einmal nicht wie erwartet oder wurde gar die Milch sauer, argwöhnte man sofort einen bösen Zauber. Dem aber konnte man mit Brennesseln entgegenwirken. So schlug man das Butterfaß mit Brennesseln, wenn die Butter sich nicht anrühren ließ. War die Butter dann doch fertig, goss man die entstandene Buttermilch in ein Loch, schlug darauf einen Pfahl und vergrub die gebrauchte Nesselrute. In Siebenbürgen gab es im Jahre 1641 einen Hexenprozess, in dem man die Hexe, die das Vieh verzaubert haben sollte, auf folgende Weise enttarnen wollte: man schüttete die Milch der Kuh auf eine Brennesselstaude und schlug die Pflanze.
Bei der Käsezubereitung hingegen gab man am Weihnachtsabend in die Milch eine Brennesselwurzel und goss das Ganze am Dreikönigstag in den Mist - das schützte die Milchwirtschaft vor Verhexen. 1902 wurde eine Milchhändlerin in Berlin wegen Lebensmittelfälschung angeklagt: sie hatte an einem heißen Sommertag Brennesseln in die Milch gelegt, um sie vor dem Sauerwerden zu bewahren. Sie wurde freigesprochen mit der Begründung, dass sie nur "ein allgemein geübtes Verfahren" angewendet hatte.
Brennesseln, beim Kohlsetzen in den Boden gesteckt und mit einem Stein angedrückt, schützten vor Raupen (sollten heutige Kleingärtner das vielleicht mal probieren? ).
Die Brennessel galt aber auch als Hexenpflanze und wurde für allerlei Zaubertränke verwendet. Brennesseln an Kreuzwegen zeigen, dass sich dort Hexen getroffen haben - glaubte man zumindest.

Die Brennessel und das Wetter:
Brennesseln und Gewitter - im Volksglauben bestand zwischen beiden eine enge Verbindung. "Wenn man Bier braut, soll man einen guten Strauß Brennesseln auf den Rand des Bottichs legen, so schadet der Donner dem Bier nicht" hieß es zum Beispiel. Das lässt sich vermutlich mit ganz normaler Chemie erklären: Schwüle Witterung fördert das Wachstum von Michsäure- und Essigsäurebakterien, und dieses Wachstum könnte durch Brennesseln gebremst werden.
Andererseits zeigt der Name "Dunnernettel" (niederdeutsch), dass man die Brennessel wegen des von ihr verursachten Brennens tatsächlich auch mit dem Blitz in Verbindung brachte.In einigen Regionen glaubte man, wo Brennesseln stehen, schlägt der Blitz nicht ein. Am Gründonnerstag gesammelte Brennesseln schützen, so man sie auf dem Dachboden aufbewahrt, vor Blitzschlag. Wenn es donnert, soll man unter die Eier brütender Tiere Stahl und Brennesseln legen, damit die Eier nicht taub werden.

Teil II:

Kaum bekannt ist heutzutage eine andere Wirkung, die man der Brennessel bereits seit der Antike nachsagte: Sie galt nämlich als Aphrodisiakum. So heißt es bei Dioskurides z.B: "diu nezzel erwecket die unkäusch", und auch im Mittelalter wusste man um diese ganz besondere Wirkung der Pflanze. Selbst in Sprichwörter und Redewendungen fand diese Eigenschaft der Brennessel Eingang. So sagte man von mannstollen Mädchen im Rheinhessischen: "Dat let och en de Brennessle". Schon Plinius d. Ä. (gest. 79 u.Z.) schrieb in seiner Naturgeschichte, dass Brennesselsamen die sexuelle Begierde anstacheln; in Schwaben galten sie als fruchtbarmachend. Es ist also nur allzu natürlich, dass die Pflanze auch in mancherlei Liebeszauber zur Anwendung kommt. So soll man z.B. die Person, bei der man Liebe erzeugen will, mit einer Brennesselwurzel berühren. Die Wurzel musste am Johannistag unter Aufsagen von drei Ave Marias aufgesagt und unter das Altartuch gelegt werden. Auch hier finden wir also wieder eine Verquickung von Volksglauben und christlichen Elementen - eine Erscheinung, die von der Kirche mit großem Mißtrauen beobachtet und zeitweise auch erbittert bekämpft wurde. In der Mark hingegen schwenkte das Mädchen einen abends gebrochenen Brennesselbusch vor Lippen und Augen und beschwor ihn dabei mit den Worten :"Kruskopp, treck den Kruskopp ran, Huch, wat's allewiel fleddern kann!" (Krauskopf (=Nessel) zieh den Krauskopf (=Burschen) an, ach, wie das jetzt flattern kann!) Der Busch wurde dann auf die Türschwelle des Burschen gelegt.
Auf die fruchtbarkeitssteigernde Wirkung der Brennessel hingegen geht der vielerorts ausgeübte Brauch zurück, Hühnern im Dreißiger gesammelten Brennesselsamen zu geben. Man glaubte, auf diese Weise die Legefreudigkeit der Hennen zu steigern.


Die Brennessel wurde auch für verschiedene Orakel verwendet - vor allem dann, wenn man herausfinden will, ob eine Person sterben wird. So findet man in alten Arznei- und Medizinbüchern folgendes: Um zu erfahren, ob ein Kranker gesund wird oder stirbt, gießt man seinen Urin auf grüne Nesseln. Verdorren sie, so wird er sterben, bleiben sie grün, so wird er genesen. Ein Topf mit Nesseln, der unter das Krankenbett gestellt wird, dient ebenso als Orakel: verwelken die Nesseln, so wird der Kranke sterben, bleiben sie grün, wird er gesund.
Sehr makaber mutet ein weiteres Orakel an: Man hängt an eine Nessel einen Zettel mit dem Namen der Hausfrau und setzt die Pflanze in eine mit feuchtem Sand gefüllte Strohschüssel. Am 1. Mai vor Sonnenaufgang sieht man das Ergebnis: ist die Nessel verwelkt, so stirbt die Hausfrau im Laufe des Jahres. Wenn Nesseln mit weißen Blättern am Haus wachsen, so wird es einen Trauerfall geben.
Die todverkündende Eigenschaft der Pflanze findet sich sogar in Redewendungen wieder. So heißt es im Aargau "er ist i d'Nessla cho", d.h. er ist gestorben.
Eine Reihe von Bauernregeln nehmen ebenfalls Bezug auf die Brennesseln. Sehr hoch gewachsene Brennesseln im Sommer und Herbst sollen einen strengen Winter ankündigen. Blühen die Nesseln früh, so muss man früh säen. Wenn die Brennesselblätter im Frühjahr löchrig sind, so wird es im Sommer hageln.
(Fortsetzung folgt)

Quelle:
Bächtold-Stäubli, Handbuch des dt. Aberglaubens, Bd. 1

Teil III:

Nicht ganz zu Unrecht galten insbesondere die ersten Brennesseln im Frühjahr als kranheitsvertreibend. Aus ihnen stellten die Römer eine Kultspeise her, die das ganze Jahr über Krankheiten fernhalten sollte (Plinius d.Ä.). Auch die Tatsache, dass sie sehr oft in Gründonnerstagssuppen Verwendung fand, geht wohl auf ihre ursprüngliche Bedeutung als Kultspeise zurück. In einigen Regionen glaubte man sogar, dass am Gründonnerstag geerntete Nesseln vor finanziellen Nöten schützen. Und unter den Kücheln/Krapfen, die in Süddeutschland am Johannistag gegessen wurden, befanden sich natürlich auch Brennesselkücheln. Schließlich noch ein Tipp: Wer ein gutes Jahr haben will, sollte am 1. Januar Brennesselkuchen essen

In der sympathetischen Medizin gilt die Brennessel als fiebervertreibende Pflanze. Die aufgebundene Wurzel der Herbstnessel soll nach Plinius d. Ä. drei-bis viertägiges Fieber heilen, wenn man beim Ausgraben die Namen des Kranken und von dessen Vater sagt. Auch im Christentum gibt es jede Menge Segensformeln, die die fiebersenkende Kraft der Brennessel zum Thema haben, so z.B. "Ich streue den Samen durch Christi Blut, es ist für 77erlei Fieber gut". Dabei streut man Salz auf die Nessel "unter der Dachtraufe". Wenn die Brennessel daraufhin vertrocknet, vergeht das Fieber. Wer Nesselsucht hat, soll auf die Brennesseln pinkeln. Gleiches, so glaubte man, hilft auch gegen Unterleibsbeschwerden oder Gelbsucht. Das Öl, in dem vor Sonnenaufgang gepflückte Brennesseln gesotten werden, schützt die Glieder vor dem Erfrieren. Etwas unappetitlicher klingt schon folgendes Rezept gegen "Hitze und Brand" bei Mensch und Tier: Man vermische Schneckenschalenmehl und ein zerpulvertes Schädelstück mit Brennesselwurzel, die unter der Dachtraufe gewachsen und an Maria Himmelfahrt gesammelt wurde. Und hier noch ein Geheimtipp : Wenn man sehen will, ob ein Mädchen noch Jungfrau ist, lässt man sie auf Brennesseln pinkeln. Verdorren sie, ist sie keine Jungfrau mehr....




Teil IV: Große und Kleine Brennessel in Medizin und Küche

Jetzt aber soll es endlich um die Frage gehen, wie die Brennessel in der Medizin (und auch in der Küche) zum Einsatz kommt. Beide Arten haben es wirklich in sich! Wirksam sind sowohl die Wurzeln als auch die Blätter. Das einzig Unangenehme sind die Nesselhaare der Blätter - ein paar Gummihandschuhe beim Ernten sind da durchaus hilfreich. Brennesseln wirken adstringierend, blutbildend, blutreinigend, milchtreibend, blutstillend, aber auch harntreibend. Die letztgenannte Wirkung lässt es ratsam erscheinen, Brennesseltee nicht ausgerechnet vor dem Schlafengehen zu trinken So umfangreich wie ihr Wirkungsspektrum ist denn auch die Anwendung der Brennesseln: Sie wird verwendet für Haut und Haar, bei Ischias und Rheuma, bei Nasenbluten, Ödemen, Nesselsucht, Schuppenflechte, Wechseljahrsbeschwerden, Weißfluß, Anämie, Durchfall, zur Frühjahrskur und für vieles andere mehr.
Bei Anämie können 100g gehackte Große Brennesseln pro Tag hilfreich sein. Ein Aufguss aus Großen Brennesseln hilft bei Durchfall. Dabei nimmt man 25 g getrocknete Stengel und Blätter auf 1 l Wasser und lässt alles 15 Minuten ziehen. Dieses Rezept hat gleichzeitig den Vorteil, dass dem Flüssigkeitsverlust entgegengewirkt wird. Die harntreibende Wirkung von Brennesseltee dürfte hinreichend bekannt sein. Er ist deshalb ein gutes Mittel zum Entschlacken, aber auch bei der Behandlung von Ödemen.
Als haarwuchsfördernd gilt ein Absud, der aus einer Mischung von je 30g Wurzeln von Großer Klette, Großer Brennessel und Rauke hergestellt wird. Man kocht alles mit 1 l Wasser für 15 Minuten auf. Wem das zu kompliziert ist, der kann auch einfach frischen Brennesselsaft nehmen (gepreßt aus den Blättern).

(Fortsetzung folgt)

Quellen:
Bächtold-Stäubli, Handwörterbuch des dt. Aberglaubens, Bd. 1
Geheimnisse und Heilkräfte der Pflanzen, Das Beste Verlag, Stuttgart 1978

Brennersell (Urtica dioica)

- wird auch gerne als Donnernessel oder Feuerkraut bezeichnet

1. Herkunft & Art
- ursprünglich heimisch in Eurasien und Nordamerika, mittlerweile aber überall auf der Welt verbreitet (außer Antarktis)
- eine sehr ausdauernde und anspruchslose Pflanze, die sich ihren Platz im Garten selber beansprucht
- stammt aus der Familie der Brennersellgewächse und wird schon seit jeher als Heilpflanze genutzt

2. Chemische Bestandteile
- Nesselgift, Mineralien, Eisen, Calcium, Kalium, Kieselsäure, Sekretin, große Mengen an Spurenelemente und Vitamine
- die Brennhaare enthalten Ameisensäure und Histamin (dadurch entsteht das Brennen auf der Haut)

3. Anwendung
- (junge) Blätter, Samen und Wurzeln werden genutzt
- hat einen hohen Nährstoffgehalt, insbesondere Eisen
- ältere Pflanzen sollten nicht ungekocht gegessen werden, um Leberschäden vorzubeugen

Äußerlich:
- der Teeaufguß ist hilfreich gegen Jucken bei Hodgkin-Syndrom, sowie bei Haarausfall oder trockener Kopfhaut (Tinktur ginge auch)
- bei Steifheit und Rheuma hilft es, die betroffenen Gelenke mit frischen Brennersellblättern einzureiben
- bei Nasenbluten frischen Nesselsaft durch die Nase heraufziehen
- Kompressen mit den Blättern helfen bei Brandwunden (auf die betroffene Stelle legen)
- ein Ölauszug kann gegen entzündete Schuppenflechte helfen
- aus der Kleinen Brennersell (Urtica urens) kann ein homöopathisches Präparat gegen Nesselausschlag und brennendem Reiz gewonnen werden

Innerlich:
- hilft bei Harnwegserkrankungen, Gicht, Durchfall, Verstopfung, Appetitlosigkeit, Diabetes, Menstruationsbeschwerden; Magen- und Nierenschwäche, Bluthochdruck
- dient als Entschlackungsmittel und eignet sich zur Blutreinigung (besonders als Frühjahrskur geeignet)
- ist blutstärkend, blutstillend, mild entwässernd, antiallergisch und nahrhaft
- regt zudem den Stoffwechsel an
- 3 bis 4 Tassen Tee helfen bei Nesselausschlag (3 bis 4 Tage lang hintereinander)
- bei ernsten Beschwerden, können 2 bis 3 TL frischer Saft oder einen Teller Brennersellsuppe täglich helfen
- frischer Saft oder der Auszug helfen bei Eisenmangel mit Lethargie und Blässe
- Teeaufguß hilft bei Menstruationsbeschwerden, sowie Saft oder Tee während der Schwangerschaft und in der Stillzeit
- Saft oder Tee hilft auch bei Gicht und Gelenkentzündungen
- Brennesellsamen helfen bei Asthma

Sonstiges:
- eignet sich gut zum Mulchen im Garten
- aus den Blättern kann man eine tiefgrüne, aus den Wurzeln eine gelbe Farbe erzeugen
- die oberen Blattstängel können über das Jahr gesammelt, gedünstet und ähnlich wie Spinat oder in einer Suppe gegessen werden

4. Rezept für Eisen-Tonikum

Zutaten:
- 2 Handvoll getrocknete Brennesellblätter
- 1 Handvoll getrockneter Aprikosen (ungeschwefelt)
- 8 Mandelkerne (nach Wunsch)
- 1 Schale einer großen Bitterorangen (besser ungespritzt)
- 1 Flasche Rotwein (wenn möglich, aus organischem Anbau)

Zubereitung:
Die trockenen Zutaten werden in ein Glasgefäß gegeben und mit Wein begossen. Zwei Wochen dann ziehen lassen und von Zeit zu Zeit schütteln. Nach diesen 2 Wochen dann in eine dunkle Flasche füllen und kühl bewahren. Von diesem Wein dann täglich 2 TL genießen.
Diese Mixtur ist ein vorzügliches Stärkungsmittel für Schwangere.

5. Info
Der Gattungsname „Urtica“ wurde vom lateinischen Wort „urere“ abgeleitet, was soviel wie „brennen“ bedeutet.

6. Tipp:
Bei Brennesellbrennen hilft ein Blatt Wegerich, welches man ein wenig zerdrückt und es auf die juckende Stelle legt.

Quellen: Wikipedia, Pflanzenheilkunde - Sanfte Wege zur Gesundheit, Besen und Pentagramme

Aus Brennesseln kann man auch super ein natürliches Pflanzenschutzmittel gegen Schädlinge (Blattläuse usw.) und gleichzeitig Dünger herstellen.

Man sammelt das ganze Kraut, stopft es in einen Eimer und füllt diesen mit Wasser auf und lässt dies eine ganze Weile stehen. Die Dauer richtet sich etwas nach der Umgebungstemperatur. Nach einigen Tagen entsteht eine Jauche, die man dann auf die Pflanze sprühen kann.