Ich möchte an dieser Stelle gerne das thema der doppelten Halbsprachigkeit, auch bekannt als doppelter Semilingualismus aufgreifen. Grob ausgedrückt geht es um das typische Klischee einem Ausländer vorzuwerfen "lerne doch endlich unsere Sprache" und ihm gleichzeitig den Vorwurf zu unterbreiten, er sollte in seinem privaten Umfeld nicht auf seine Muttersprache zurückgreifen, weil dies dem erlernen der neuen Sprache abträglich wäre.
Wohlgemerkt mir geht es an dieser Stelle nicht um eine ethische Diskussion.
Man darf von jemanden fordern die hiesige Sprache zu lernen ohne dass es rassistisch wäre.
Mir geht es jedoch darum, wie sinnvoll solche Argumente eigentlich sind und vermeintliche Falschperspektiven richtigzustellen.
Nach Hansegards Ansatz neigen Migranten zu einer starken und einer schwachen Sprache. Durch emotionale Bindung wird die Muttersprache in der Regel zu der starken, auch wenn sie eingeschränkt aktiv ist. Die Fremdsprache, also deutsch wird semilingual ausgebildet. In Folge dessen leidet dann auch die Muttersprache, da die beiden sprachlichen Systeme vermischt werden. Das liegt daran, dass die Muttersprache eingeschränkt ausgeprägt und dadurch quasi begrenzt wird. Wenn es dem Migranten "erlaubt" ist, seine Muttersprache zu pflegen, kommt das beiden sprachlichen Gebräuchen entgegen.
Das wäre jedoch das genaue Gegenteil des üblichen Klischees "Er solle doch in seinem Umfeld bitte gefälligst Deutsch sprechen, um es zu lernen".
Denn erst wenn man seine Muttersprache entsprechend beherrscht, ist man fähig, auch die andere Sprache ausgewogen zu erlernen. Er wird in einem sprachlichen Mischmasch enden.
Es entsteht also eine Wirrung zwischen den Sprachsystemen, da es schwerer ist einen verschiedenen sprachlichen Ansatz zu begreifen, wenn der erste nicht richtig ausgebildet wurde.
Alleine schon deswegen da die verschiedenen Sprachen stark unterschiedliche Flexionssysteme, Morphologien und Wortbildungsmuster besitzen.
Man begegnet einer Fremdsprache mit einem ganz anderen Anspruch, wenn die Ausprägung einer sprachlchen Fähigkeit abgeschlossen wurde, als wenn selbst die erste nicht richtig beherrscht wird.
Natürlich kann man dies dennoch, es ist aber eher hinderlich.
Denn die Muttersprache wird abstrahiert um dadurch auf den Aufbau der Fremdsprache zu schliessen, auch wenn diese sich eigentlich unabhängig verhalten.
Man könnte es mit einem Musikinstrument vergleichen, bei dem es leichter fällt ein neues zu erlernen, wenn ich eines bereits beherrsche. Sprachliche Fähigkeiten verhalten sich sehr ähnlich.
Ansonsten fehlt es an semantischem Feingefühl. Das Konzept Sprache wurde so nicht völlig verinnerlicht. Also muss diese Fähigkeit synchron mit der Zweitsprache ausgeprägt werden.
Ansonsten muss die sprachliche Fähigkeit an sich erst erworben werden, statt ein neues Sprachsystem darin zu adoptieren. Unmöglich ist es, natürlich nicht. Aber es fehlt ein sprachlicher Grundstein.
Wenn ich also meine Muttersprache nicht perfekt erlernt habe, fehlen mir grundlegende Fähigkeiten um eine Fremdsprache wirklich ausgeprägt zu erlernen. Aus diesem Grund finde ich den Ansatz falsch jungen MIgranten zu "befehlen" sie hätten gefälligst die neue Sprache zu erlernen und sollen diese gefälligst auch zu Hause verwenden. Oft wäre ein Kurs in der eigenen Muttersprache zunächst wertvoller, wenn diese nicht entsprechend ausgeprägt wurde, da es das Erlernen der neuen Sprache begünstigen würde, statt 2 halbe Sprachen zu erlernen.
Etwas provokativ ausgedrückt "Gebt ihnen türkische statt deutschen Sprachkursen in den Schulen", um einen beispielhaften Nenner zu finden.
Liebe Grüße
Fufu