Die drei großen monotheistischen Religionen (Judentum, Christentum und Islam) gehören zu den wenigen Religionen überhaupt, in denen der Glaube an Seelenwanderung nicht verankert ist. Das bedeutet jedoch nicht, dass ein solcher Glaube nicht auch hierzulande im Volk existierte. In Sagen heißt es mitunter, dass die Seele den Körper in Gestalt einer Maus verlässt. Folgendes soll sich z.B. auf dem Edelhof von Wirbach in der Nähe der Thüringischen Stadt Saalfeld zu Beginn des 17. Jh. zugetragen haben: Das Gesinde war beim Obstschälen, als eine Magd plötzlich sehr müde wurde und sich auf eine Bank legte, um dort ein wenig zu ruhen. Nachdem sie dort eine Weile gelegen hatte, schlüpfte aus ihrem Mund ein rotes Mäuschen heraus, eilte zum Fenster und verschwand nach draußen. Eine neugierige Zofe wollte es nun wissen: Obwohl die anderen es ihr verboten, versuchte sie die Magd zu wecken. Sie rüttelte und schüttelte sie – vergebens. Schließlich zog sie die Magd sogar an eine andere Stelle der Bank. Kurz darauf kam das Mäuschen zurück, lief zu der Stelle, wo es aus dem Mund der Magd gekrochen war, huschte hin und her, konnte aber die Magd nicht finden. So verschwand es wieder. Die Magd aber war mausetot und blieb es.
Diese Geschichte findet sich im ersten Band der Deutschen Sagen der Gebrüder Grimm (1816). Diese wiederum hatten sie der „Weltbeschreibung“ des Johannes Praetorius von 1666 entnommen.
Die Seele kann auch andere Tiergestalten annehmen. So soll der Kuckuck aus der Seele eines verwünschten Bäckerknechts entstanden sein, der den armen Leuten Brotteig gestohlen hatte. Kröten wiederum sollen die Seelen geiziger alter Jungfern sein.
Nach: Rainer Hohberg, Thüringer Sagengeheimnissen auf der Spur, OTZ vom 11.9.2010
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Morghaine